Montag, 27. September 2010

peoplewatching #3: Stellerchen

Strumpfhose und Wollsocken an, Schal und Mantel umgeschnallt, Kapuze auf dem Kopf und Musikknöpfchen im Ohr: 
so ausstaffiert trotze ich dem kalten und nassen End-September-Wetter, dass ich sowieso ganz wundervoll finde. Tori Amos zwitschert mir ins Ohr, während ich über Kies und das erste Herbstlaub knistere.

Ich muss mich wie immer daran erinnern, dass mich die Menschen um mich herum sehr wohl hören können, wenn ich wegen des MP3-Players noch tauber als sonst, lauthals mitsinge. Das funktioniert nicht mehr so wie früher, als man sich einfach die Hände vor die Augen hielt, wenn man für die Welt unsichtbar sein wollte. Sehe ich dich nicht, siehst du mich nicht.
Es könnte zwar auch irgendwie ganz putzig und herzallerliebst sein, wenn eine Mittzwanzigerin (bin ich das noch?) selbstvergessen in der Bahn losposaunt. Nicht aber bei mir...dazu singe ich zu schräg. Leider.

Tori´s sphärisch bodenständige Musik hat mir schon oft meinen Tag gerettet und mich durch die Stimmungen getragen. Ich bin wirklich glücklich, dass ich sie als Souvenir aus meiner bisher längsten Beziehung mitnehmen durfte.

Sie ist eine der schöneren Überlebenden, wenn nicht die wertvollste, die aus Männergeschichten entstanden sind, mir ans Herz gelegt oder vorgestellt wurden und mich viel länger als die Bettwärme der verflossenen Liebschaft begleiten durfte.

Die meisten Überlebenden sind Fressalien. Seitdem ich das erste Mal verliebt war zum Beispiel, finde ich Senf auf Käse supergeil. Und obwohl ich nicht so die Süßigkeiten-Addict bin, darf´s seitdem nach dem Essen auch gerne mal Schoki sein.
Das war mehr als ein Jahr Pflicht bei meiner Big Love No.1. Ein paar Kilos zuviel zählten dadurch auch zu den mitgenommenen Hinstellerchen, die gute 3 Jahre brauchten, ehe sie sich verstaubt wieder verabschiedet haben.
Nach einer darauf folgenden eher frustrierenden Affäre, konnte ich meine heißgeliebte Jasmin Tabatabai Scheibe lange Zeit in die Ecke pfeffern. Auf langen Wegen mit dem Überlandbus in die Pampa, habe ich die rauf und runter  gehört. Als es mit Mr. 20 cm dann nach ein paar Wochen aus war, hat mir die Musik nur noch schlechte Laune gemacht.
Kakao zum Frühstück hat nicht lange angedauert, dafür habe ich als Stalking Opfer zunächst bei jedem anfahrenden rote Kadett einen Sprung in die Büsche gemacht und schließlich die Stadt verlassen.

Parallel zur längsten Liebe überdauern auch die Souvenirs daraus nachhaltig. Hier wurde ich mit Kaffee angefixt. Und ich meine Kaffee, und keinen Latte-DoubleChoc-Caramel-Mintflavoured Kram. Den mag ich ab und zu zwar auch, aber ohne Kaffee geht gar nichts mehr. Ich kriege ohne die alltägliche Koffeindosis Kopfschmerzen, schlechte Laune und die Klütschen gar nicht erst richtig auf.
Und nach durchknutschten Nächten im Auto mit ziemlich passender musikalischer Untermalung gehört die Amos eben zu meinen Lieblingen. Dafür bin ich wirklich dankbar.
Zum Ende dieser Liebe verlor ich dann auch endlich die überschüssigen und noch ein Paar mehr Pfunde.

Als Single pflegt man dann ja mehr seine eigenen Marotten.
Ob dann aber 100jährige Beziehungen gleichbedeutend mit Stillstand, da keine neuen Stellerchen mehr auf dem Weg ins Regal sind, gilt es noch rauszufinden und ist letztendlich ja auch jedem selbst überlassen und beeinflussbar....

....denke ich mir so und trete wieder hinaus auf die herrlich verregnete und graue Straße.

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