Freitag, 17. September 2010

peoplewatching #2A : Blumen aus Thüringen, Teil II











Gentlemanlike, wie Psychopathen üblicherweise sind, holte mich der Gute eine Woche später ab. Vorausschauend wie ich es bin, wartete ich natürlich nicht zu Hause, sondern an einem anderen Ort. Mindestens drei Personen wussten, wo ich mich aufhielt und mit meiner Freundin waren Kontrollanrufe vereinbart.

Herr Bateman aus Thüringen fuhr einen dicken schwarzen BMW. Mit Sitzheizung. Iiih. Männer mit dicken Autos üben auf mich ja seit jeher viel weniger Attraktivität aus, als Männer in abgewetzten Kadetts, muss ich dazu sagen. Liegt vielleicht an meiner ersten großen Liebe, dessen matschgrauer (das Fabrikat habe ich vergessen) Wagen seine besten Jahre schon hinter sich hatte und in dem wir, mit der Hitze unseres jugendlichen Atems, unsere eigene Lüftung waren. Und das war total egal, schließlich war man fast schon verliebt.

Ich wurde also abgeholt, mit pipiwarmer Sitzheizung und heller Lederausstattung beeindruckt und wir fuhren zunächst für Bier, Salat und Pasta und später dann Kaffee an die Weser .
Die Alarmglocke schrillten wieder...Der Herr fragte, was ich denn gewählt habe und bestellte beim Kellner für mich mit!!!!
War vielleicht Oldschool-höflich gemeint, ich fühlte mich aber wie Barbie im Elektrofachhandel. Und die Schiene wurde weitergeführt .
Volle Kanone Jacke abnehmen, Stuhl zurechtrücken, Tür aufhalten, gepflegte Konversation und und und.
Ich steht zwar schon drauf, wenn Männer mit Gabel und Messer umzugehen wissen, aber in diesem Falle war all das, in Kombination mit seinem unterschwelligen Thüringer-Akzent, einfach nur zuviel und brechreizauslösend.

Und dann wurde mir inmitten seines Monologs und meines regelmäßigen Kopfnickens und sinnvoll eingestreuten „Mhmh..mhmh..“ Feedbacks schlagartig bewusst: ich habe es mit dem heutigen Tag ja gar nicht überstanden! FUCKING SHIT, da war ja noch was!
Tja, und da er wusste wo er mich finden kann, wann ich mich nach Ladenschluss allein auf den düsteren Heimweg begebe und ich es einfach nicht über´s Herz bringen konnte, mit irgendeiner fadenscheinigen Ausrede abzusagen...ging es tatsächlich noch zu einer typisch deutschen Hochzeit in einem typisch dorfigen Landgasthaus. Keine Möglichkeit zur realistischen Flucht auf viel zu hohen, viel zu unbequemen Schuhen.

Wieder zwei Wochen später wurde ich im einnässungsangstauslösenden Wagen abgeholt und bekam einen kleinen Strauß Blumen in die Hand  und ein Kompliment, ob meiner Erscheinung auf die Ohren gedrückt. Ich wollte weinen....
Wie lange konnte das dauern? Eine Stunde Fahrt, Begrüßung und Gratulation an das unbekannte Brautpaar, diverse Ansprachen und Spielchen.
Vorspeise, Hauptgericht, Nachtisch, Kaffee und dann noch ein bisschen....oh scheiße.
Mir brach der kalte Schweiß aus.
Ich vergaß...das Tanzen. Verdammt. Ich kann doch gar nicht tanzen!!! Okay, ein paar Jahre klassisches Ballett, viele viele Jahre tänzerisch-kompositorischer Leistungssport, Arschwackelei zu Shakira und mehr....das geht klar. Aber nie nicht habe ich einen Tanzkurs gemacht.
Mit meiner bereits erwähnten ersten großen Liebe, bezeichnenderweise lernten wir uns bei einer Hochzeit kennen – Ha.Ha. – brachte ich die Schmach damals mit zwei Schritten rechts, zwei Schritten links einigermaßen unpeinlich über die Bühne. Aber wir mochten uns ja auch.

Tja, ich kam nicht drumherum. Und wie ich so ein Hochzeits-Gediscofoxe hasse. Ich bekomme da wirklich Zustände. Musik und Tanzen ist für mich ein künstlerisch, emotionaler Ausdruck und dieses steife im-Kreise-drehen ist mir einfach so was von zu Wider.
Um es auf den Punkt zu bringen: es war einfach ein schrecklicher Abend. Ganz furchtbar. Warum ich mir so was antue? Einige Freundinnen sagen mir heute, ich sei immer noch solo, weil ich viel zu früh K.O. Kriterien ansetze und nicht „offen“ genug sei. Aber ich finde, ich habe mir diese Haltung mit einer Reihe furchtbarer Verabredungen auch verdient.

Ich muss das Gespräch aufrechterhalten? Es gibt einfach keine intelligenten Konter?
(Selbst-)Ironie und Sarkasmus ist ein Fremdwort? Er hört sich zu gern selbst reden? Die Ohren sehen besorgniserregend aus? Informatiker oder Saunafachverkäufer? EQ und Empathie nicht vorhanden? „Becks Lemon“ Trinker? Bei 6 von 10 Punkten kann man“trifft zu“ ankreuzen? Nein danke, „Wir machen heute Mädelsabend“.

All das ist einfach nur nach zu vielen schlechten Dates ausgetüftelt. Alles andere wäre Zeitverschwendung.

Das alles ist natürlich erstmal schnurps, wenn man einfach direkt einen Draht zueinander findet, das ist ja klar... So ist es ja nun nicht, dass ich da erst mal eine Liste abarbeite.
Aber bitte.
Habe ich erwähnt, dass Mister Patrick Bateman eine Leidenschaft für Roséwein hegte?  Nein? Also wirklich, ein Mann der öffentlich Roséwein trinkt und das auch noch geil findet. 


In der tiefen norddeutsche Pampa drückte ich eine Gabel Kaisergemüse in Hollandaise am Klo in meinem Hals vorbei....
  

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