Montag, 20. September 2010

Das Glühen nach dem Glühen

Sie schwammen gerade in dieser schönen Stimmung, in der Urlaubslaune und sonnenbedingte Hypersensibilität auf das Einsetzen der Wirkung von Bier, Wodka und Süßkram trifft. Genau der Punkt, an dem die Gesichter sich entspannen, alles sorgenfrei ist. Aber noch kurz bevor sich die sommerleichte Laune in ein Betäubnis verabschiedet.

Es war der Zeitpunkt, an dem die Lichter weich leuchten, man in der Ferne Bässe und einen Klangteppich aus Partylauten wie einlullende Walgesänge wahrnimmt und alles einfach nur herzig anmutet.
Die Diskussionen um die Frühstückszeit, das Gezicke der bepaarten Mädels wegen zuviel Alkohols und Sex und der Neid der unbepaarten Mädels, wegen viel zu wenig dessen, war vergessen und sollte in der folgende Nacht nur noch ausgetanzt werden.

Das Haus, welches für diesen weiteren „Urlaub des Jahrhunderts“ gemietet wurde befand sich  in einem heruntergekommenen ungarischen Wohngebiet. Die Vermieter wohnten derzeit im Schuppen. Der Weg zu See und Zentrum war weit.

Die Traube entzerrte sich Konversations- und Promillebedingt auf dem Weg zur Partymeile. Über einen guten Kilometer reihten sich Tanzflächen, Bars und Rummachecken direkt am Ufer des Balatons, in einem Paradies für alle Party- und Grabbelwütigen, aneinander.

Einige billige Plattensee-Wodkas wurden mal mit dem einen mal, mit den anderen geschluckt. Jeder suchte sich für diese Nacht der Nächte seinen Himmel um ausgelassen zu sein. Wer Glück hatte, rieb sich mit einem oder einer hübsch zu Ville und Natalia aneinander und über´s Parkett. Wer Pech hatte, dem blieb der Po im Schoß eines Pottschnittträgers stecken und spürte wie heiß der „Candyman“ das fand. Und wer Pech-Pech hatte, dem blieb noch eine der Singlefreundinnen des Urlaubs, mit der man wettbewerbstüchtig auch mal züngeln konnte.

Gegen 3.00 Uhr morgens leerten sich die Ränge, man hielt sich aneinander fest, wie Freunde das eben tun, um den Weg nach Haus nicht allein zu erstolpern.

Weit am Ende des Feierstrandes saß das Mädchen an einer Bar. Ob sie noch was trinken wolle, fragt ihr Kumpel. Der Schönste. Der Schönste von allen. Nee, lieber was essen, antwortete das Mädchen.
Okay, dann lass uns etwas suchen, meinte der schöne Junge.
Vorbei an kaputten Flaschen und Menschen, mitgeschleppten Klopapierfetzen und vergessenen Unterhosen liefen die beiden am Strand entlang. Barfuß in einer warmen Nacht mit heißen Pommes in der Hand. Die Sterne spiegelten sich im Balaton und Erschöpfung im Herzen.
Wie Freunde sich so kennen, genügten wenige Worte. Wie das in einer beschwipsten Nacht so ist, hielten sie sich aneinander fest. Auf einer Treppe standen sie sich gegenüber. Das Mädchen lachte, der schöne Junge hielt sich auch mit der zweiten Hand fest. Ein kleines Gerangel. Ein bisschen Gekuschel. Ich bin so müde, sprach das Mädchen und legte ihren Kopf in seine Schulterkuhle.

Als würde die Nacht Musik spielen, wiegten sich der Junge und das Mädchen im Takt. Ihre Hände verließen sich und wechselten in eine Umarmung, so kann man sich ja auch viel besser festhalten. Das Ziel wechselte mit der Atmung, der unmissverständliche Startschuss für das weiterführende Drehbuch.
Der Junge war hin- und hergerissen zwischen Gier und Zuneigung. Seine Küsse zehrten nach mehr, er trug das Herz auf der Zunge.
Das Mädchen spürte jede einzelne Sommersprosse in ihrem Gesicht glühen.
Es wurde gegeben, was fehlte und es wurde genommen, was verloren war.
Der schöne Junge und das Mädchen hielten sich aneinander fest.

Er setzte sich nieder auf den Treppenabsatz. Sie saß davor, lehnte sich zurück und beide lächelten sich über ihre Schulter sehr zufrieden, etwas verschämt an.

Der Himmel färbte sich rosa, es wurde Zeit, zu gehen.

War haben wir da denn gemacht, fragte der Junge. Wo kam das denn her, fragte er.
Es war einfach gut so, meinte das Mädchen. Dir geht es jetzt gut, mir geht es jetzt gut, heute Nacht. Freunde dürfen doch machen, dass es gut ist.



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