Sonntag, 24. Oktober 2010

peoplewatching #6: Nagelpfeilen - Kastrationen

Tolle Ideen, um ein gesellschaftliches, herzliches und soziales Miteinander zu gestalten und voranzutreiben, finde ich große Klasse.
Eine ganz wundervolle Einrichtung der Art sind in der Regel Mitfahrgelegenheiten. Man lernt zumeist nette, interessante Menschen kennen, kommt einfach von A nach B und spart dabei noch Umwelt und Geldbeutel.
Eine gute Idee für eine soziale Welt – wenn es nicht auch hier asoziale Arschlöcher gäbe.
Ich finde sie so oder so schon total unarsch, diese Mini-Schwanzträger (sicherlich)mit Gruppenticket, deren erste Frage bei deinem Anruf lautet: „ Welche Uhrzeit meinst du denn?“.
Dahinter steckt nämlich nicht der reine Wille nach Information, etwa weil der Karteninhaber am Morgen zum Ziel und am Abend wieder heim fahren würde.
Nein, es gibt tatsächlich Menschen, die mit dem Prinzip der geteilten Ressourcen Kasse machen.
Zunächst ist dies vielleicht nicht verboten. Und man halte mich für ein idealistisches Naivchen – aber ich finde das total ungesellschaftlich und absolut unmoralisch.
Denen ist es scheißegal, ob diese Art der Fortbewegung die Umwelt schont, im idealsten Fall den Horizont erweitert oder einfach nur eine Hand die andere wäscht.
Die sind einfach nur daran interessiert, ihre eigene schmutzige Hand gewaschen zu bekommen.
Und einen Kniefall erwarten sie noch dazu, weil sie ja ganz pfiffige Geschäftsmänner sind und die Bahn ja selbst schuld ist, wenn sie solche Möglichkeiten bietet.
Zum Kotzen. Asozial.


Es ist nett, dass diese Typen der Bahn ein Schnippchen schlagen und arme Menschen so davon profitieren? Ha, von wegen, der Knaller kommt ganz am Schluss.


Und seit diesem Wochenende hasse ich sie noch ein Quentchen mehr.
Nicht mit diesen Würmern zu fahren, hatte ich mir sowieso schon insgeheim vorgenommen. Da ich aber nicht viel Zeit hatte und die benötigte Uhrzeit nur so vertreten war, biss ich in den sauren Apfel.
Ich teilte dem MFG-Schmarotzer mit, dass mein Zug erst zwei Minuten nach der geplanten Treffzeit eintreffen würde, ich also 3-5 Minuten später käme. Er sagte, das sei völlig okay.
Renn ich also wie eine Irre durch den überfüllten Bahnhof um natürlich niemanden mehr anzutreffen. Genug Zeit, um den Zug noch zu bekommen, wäre gewesen. Ruf ich den Kerl also an, damit der mir sagt:


„Ja, du bist zu spät.“
„Ja, aber das habe ich dir doch gestern erklärt und du meintest, geht klar, ist eingeplant?“
„ Jab, aber ich habe mit 3 Minuten gerechnet.“
„Ja, aber ich habe dir doch gesagt, wann mein Zug eintrifft. Natürlich muss ich dann noch zum Treffpunkt kommen!“
„Ja, aber dann habe ich noch jemanden gefunden und wir waren voll.“


Ja, fick dich. Arschloch.


Am Ziel in Hamburg angekommen spielten meine Freunde dann großer Bruder und haben den Wurm am Rückfahrtstag - entgegen der zunächst angesetzten Planung, ihn mit einer Nagelpfeile zu kastrieren – nur herzlich verarscht.
So riefen sie ihn an, um zwei Plätze zu belegen. Spontan sollte dann noch ein dritter dazukommen.
Da meinte der doch glatt:
„Ja, kein Problem – ich sag dann einer anderen einfach ab.“


Damit der statt einem Fünfer, lieber gleich drei abkassiert.
ALTER! Das arme Mädel war vielleicht nur unterwegs, da kann doch keiner mehr 3 Stunden vor Abfahrt mehr ein Weiterkommen garantieren.
Das nur dazu, dass die doch den Suchenden eine tolle Sache ermöglichen.....




Mitfahrgelegenheits – Gelegenheitsdazuverdiener:




#Nutzen aus was ausnutzbar ist, weil die reine Möglichkeit besteht.


#Können gar keine Freunde haben.


#Verlangen IMMER ein Glas Leitungswasser zum Kaffee. Aus Prinzip.


#Haben alle kleine, krumme, bis gar keine Penaten.


#Essen beim „All-you-can-eat“ bis sie kotzen. Aus Prinzip.

Dienstag, 19. Oktober 2010

Deine Mudda

Beziehungsweise "Eure Mütter".

Altes 'Diakon-mit-Schrammel-am-Lagerfeuer-Feeling' gepaart mit entspanntem Amusement:





Montag, 18. Oktober 2010

peoplewatching #5: Anti-Fetisch

Die Sache mit den Ohren.


Nein nicht Titties – ich meine wirklich Ohren. Dies ist wahrscheinlich einer der unbedeutendsten Texte, der momentan schreibbar ist – darüber hinaus wurde über Problemzonen schon viel berichtet. Aber der Ablenkung willen und um ein späteres Trauma zu vermeiden, findet er trotzdem Verewigung.

Es wurde schon viel über abartige Deformierungen des menschlichen Körpers sinniert. Nun möchte ich wirklich nicht oberflächlich erscheinen. Ganz im Gegenteil, ich bin eine große Verfechterin der „Scheiße, macht dein Charakter dich hässlich“ – Haltung.

Es geht auch gar nicht darum, dass eine Abnorm bei einem Menschen dazu führt, dass ich den nicht mehr mag. Wenn es ein sehr netter Mensch ist, muss ich mich nicht mal davor ekeln. Da geht es mehr um solch unfreiwillige Begnungen im Kino oder Zug. 
Und wenn dann noch einiges zusammen kommt, so wie Arroganz und fettige Haare und dann noch der Grusel-Factor X einem in die Glieder fährt – also, in die Augen sticht...dann ist mir einfach nur buuääääähhhbrrrr zumute.

Was finden andere Menschen so abartig aka unattraktiv aka geht gar nicht?
Füße sind sehr beliebt. Runzlige Kniekehlen. Klumpige Nasen. Knochige Finger. Zu kleine Augen. Zu enge Augen. Dinge, die ich nicht aussprechen mag.

Hm.....aber bei einem schönen Menschen, so finde ich jedenfalls, können solche Makel die Person nur noch mehr „Hach“ und liebenswürdiger machen – manchmal ergattern sie sogar nur wegen z.B. eines leicht schiefen Mundes das Attribut „Anbetungswürdig“.
Bei Frauen bin ich da manchmal auch noch toleranter als bei den Herren.

Was aber giga-gar nicht geht. Überhaupt nicht. Ich meine, ganz im Ernst! Stellt euch vor, was immer ihr so heiß findet. Jared Leto. Matt Czuchry. Meinetwegen auch Brad Pitt. Ganz egal. Jeder dieser Herren würde wahrschenlich wenig seiner Sexyness einbüßen, wenn das linke Nasenloch größer als das rechte wäre. Oder die Lücken zwischen den Zehen überdimensioniert.

Aber wo sich bei mir ganz persönlich die Zehennägel aufrollen, ist wenn der Herr Schmonzette einen akuten Fall von „Feivel – der Mauswanderer“ – Ohren aufweist!









Totaler Quatsch? Sure, aber jeder braucht doch einen Spleen.

Und wenn Ohren so oben an der Muschel nicht geschlossen sind, wie es doch eigentlich normal ausschaut, dann kriege ich unschöne Gänsehaut und es schüttelt mich. Wenn dann der Rand noch so abgefressen aussieht und am Besten noch leuchtend rot hervorsticht...Boah. Dann seh ich nix anderes mehr als Ohren.
Sowas kann man doch nicht...anfassen, geschweige denn mit Küssen...STOP, das geht zu weit. Buah.



Was fast genauso schlimm ist, sind Ohren die fast am Kinn angewachsen sind. Wenn sie dann noch seit der Geburt ihre Größe nicht verändert haben....Grusel.



UND! Schlabbrige Ohrläppchen. Leblos. Und Tellergroß, dass da ein ganzes Deckenfresco raufpasst. Das ist fast noch schlimmer, als Mäuseohren.




Total albern und Weltunbewegend? Ja, sicher. Aber nach dem heutigen Montag brauchte ich so eine anspruchslose Freakshow der Eitelkeiten.
Und achtet mal drauf, Ohren sind fast so was wie Fingerabdrücke. Keines gleicht dem anderen. Schlimmer geht immer. Die Interpretationsmöglichkeiten sind schier endlos.
Und man bedenke, dass die Dinger nie nicht aufhören zu wachsen........









Mittwoch, 13. Oktober 2010

Rezept




>>Jage die Ängste fort 
Und die Angst vor den Ängsten.
Für die paar Jahre
Wird wohl alles noch reichen.
Das Brot im Kasten
Und der Anzug im Schrank.

Sage nicht mein.
Es ist dir alles geliehen.
Lebe auf Zeit und sieh,
Wie wenig du brauchst.
Richte dich ein.
Und halte den Koffer bereit.

Es ist wahr, was sie sagen:
Was kommen muß, kommt.
Geh dem Leid nicht entgegen.
Und ist es da,
Sieh ihm still ins Gesicht.
Es ist vergänglich wie Glück.

Erwarte nichts.
Und hüte besorgt dein Geheimnis.
Auch der Bruder verrät,
Geht es um dich oder ihn.
Den eignen Schatten nimm
Zum Weggefährten.

Feg deine Stube wohl.
Und tausche den Gruß mit dem Nachbarn.
Flicke heiter den Zaun
Und auch die Glocke am Tor.
Die Wunde in dir halte wach
Unter dem Dach im Einstweilen.

Zerreiß deine Pläne. Sei klug
Und halte dich an Wunder.
Sie sind lang schon verzeichnet
Im grossen Plan.
Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.<<


Mascha Kalekó, Die paar leuchtenden Jahre 

Freitag, 8. Oktober 2010

Rapunzel und der Kohldampf


>> Kleine Jungen spielen mit dem Holzschwert, kleine Mädchen mit Prinzessinnen-Hackenschuhen und Mutti´s Lippenstift. Naja, so zumindest das Klischee.

Aber wozu das alles?

Auch wenn wir Jungs damals doof fanden und Mädchen ja total ätzend waren, diente wohl auch das schon dazu, den Gegenüber auf uns aufmerksam zu machen.
Damit dieser, oder diese, doch bitteschön wenigstens uns besonders öde findet.
Wir wollen nicht alleine bleiben und hofften vielleicht schon damals – wenn wir denn von der verträumten Sorte waren - mit Prinz oder Prinzessin irgendwann unser eigenes Märchen zu schreiben.

Später lernten wir, dass das Leben nicht immer so wie im Märchen verläuft.

Prinz Charming wird nicht einfach auf uns aufmerksam, nur weil wir verträumt aus dem Fenster starren und unser güldenes Haar bürsten.
Und Rapunzel fingierte wohl auch keine keine entzückte Ohnmacht - um gleich wieder aufgefangen zu werden, versteht sich - wenn der Holde von der Jagd verschwitzt vom Rosse stieg, sich mit Kohldampf und stinkenden Füßen an die Tafel setzte und der Magd in den üppigen Ausschnitt starrte.

Aber deswegen gleich das Träumen und Wünschen komplett ad acta legen?

Ich finde das sollte man nicht tun.<<...


..und so ähnlich wünschte ich dem nächsten Paar in meinem Bekanntenkreis alles Gute für ihre bevorstehende Ehe. Ich wünschte ihnen ganz viel Liebe, Stärke, Vertrauen, aber auch Unbekümmertheit und immer ein bisschen Zauber. Damit sie mit diesen feengleichen Gaben ab hier ihr eigenes, ab nun gemeinsames Märchen, gestalten können.

Dabei macht es hoffentlich nichts, dass ich in den meisten Beziehungen, die um mich herum existieren, so gar nichts Märchenhaftes erkennen kann.
Zumindest der Wunsch, dass in der zwischenmenschlich wohl innigsten Bindung, die man eingehen kann, auch etwas Überirdisches, Unrealistisches existieren sollte, ist ganz ehrlich gemeint.

Man nenne mich eine Träumerin, wenn ich glaube, dass man so etwas finden kann.
Aber ist es nicht erstrebenswert, jenseits des schnellen Lebens, wütender und gestresster Menschen, des schlechten Wetters und alldem, was einen tagein, tagaus von der Wolke holt  - und ja zugegebenermaßen auch holen sollte – wenigstens in der Zweisamkeit etwas albern, verrückt, abgehoben, zauberhaft sein zu dürfen?

Nicht Schlimmeres kann ich mir vorstellen, als dass man auch in der Liebe eher den Mund hält, als offensichtliche Probleme anzusprechen, um die empfindliche Oberfläche nicht zu zerbrechen.
Dass man blind wird, wenn die eigene Vorstellung vom Leben, die man sich vor Jahren einmal aufgebaut hat, nur um des Einhaltenwollens dieses Planes erzwungen wird.
Wenn man auch in der Liebe immer vernünftig sein muss, weil das Leben ja nun einmal vernünftig ist.
Wenn man sich zufrieden gibt mit dem, was gerade so zufrieden stellt. Weil man Angst hat vor dem Alleinesein.
Wenn man sein Träumen zurückstellt, weil bei zwei Personen kein Platz mehr sein soll, für das Eigene.

Ein Widerspruch? Weil Märchen nur oberflächlich gut verlaufen?





Nur eines macht sein Traumziel unerreichbar: die Angst vor dem Versagen.
aus "Der Alchimist", Paulo Coelho

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Jugendstil und Zwitscherware


Christchurch 2000

Als ich noch jung, faltenfrei und ungeküsst war. 
Ritschratsch - Kameras waren noch up-to-date und ich 
beim zweiten Mal genauso verliebt in England wie beim ersten Mal 
und nicht mehr oder weniger als heute. 
Hach...





Blaubeerkuchen, 'The Finland Style'

Zutaten Teig


150 gr. Butter 
100 gr. Zucker
2-3 Eier
150 gr. Mehl
150 gr. Grahammehl (oder Haferflocken)
1 TL Backpulver, Zimt
Frei nach Schnauze Mohn, wenn man mag und Zimt, passt auch dazu.


Zutaten 'Topping':


50 gr. Zucker und/oder Honig
150 gr. Kermaviili (oder Quark/Dickmilch)
1 Ei
1 TL Vanillezucker
500 gr. Blaubeeren


Die Zutaten für den Boden vermengen und in eine gefettete Springform gebe. Gut verteilen und den Rand ausarbeiten. Evtl. ganz kurz vorbacken (max 10 Minuten).


Frische Beeren waschen und gut abtrocknen. Zutaten für das Topping vermengen und auf dem Boden verteilen. Evtl. Mandeln oder ähnliches darüber geben.


Bei 200°C, 30-45 Minuten backen, Ober-/Unterhitze. Gut auskühlen lassen, bevor man den Kuchen aus der Form trennt!


Montag, 4. Oktober 2010

Tischmanieren und Ausmalbücher

Diesen Monat wäre er 79 geworden. 
Wäre er. 
Denn er starb, als ich fast 12 war. 
Er lag davor lange im Krankenhaus. Alle waren hoffnungsvoll, dass er es noch mal nach Hause schafft. Aber dann, eines morgens.... 
Nein, nicht irgendeines morgens. Es war der Morgen des 22. Januars 1996, kurz vor meinem 12. Geburtstag. 
Ich musste zur Schule und saß gerade auf dem Klo, als meine Mutter ins Badezimmer kam. 


Lange habe ich ihr nicht verziehen, wie sie mir erzählte, dass Opa letzte Nacht gestorben sei, als ich mit runtergelassener Hose auf dem Pott saß. 
Ich heulte und versuchte die Situation einigermaßen würdevoll über die Bühne und meine Unterhose wieder über den Hintern zu bringen. 
Das war wirklich nicht schön. Beschreibt aber eigentlich gut, wie blind meine Familie für lange Zeit dann mir gegenüber war.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass meine Mutter gar nicht bemerkt hat, in welcher Lage ich mich da gerade befand.
Trotzdem, das war wirklich gemein. Mein beginnendes Teenager-Ich empfand die ganze Situation als extrem unwürdig.

Ich habe meinen Opa geliebt, wie eine 12jährige ihren Opa nur lieben und vergöttern kann.

Wegen des damaligen Angestelltenverhältnisses meiner Eltern wuchs ich als erstes Kind der ältesten Tochter quasi bei meinen Großeltern auf. 
An die Babyzeiten kann ich mich natürlich nicht erinnern. 
Aber dann kam ich in den Kindergarten und erinnere mich daran, dass ich morgens oft eine Szene machte, wenn meine Mutter mich dort ließ. Der Kindergarten war wundervoll, aber ich wusste wohl irgendwann, dass mich jeden Tag meine Oma mit dem Fahrrad abholen  und ich erst wieder zum Schlafen gehen ins elterliche Heim kommen würde.

Auch bei Oma und Opa war es super. Ich hatte dort meine eigenen Malsachen, die Butschersachen für das Spielen mit den anderen Kindern draußen und Oma hatte einen prall gefüllten Schnuckerschrank. 
Ich entwickelte eine ausgefuchst leise Taktik, diesen während ihres Mittagsnickerchens zu öffnen. Dachte ich. Gemerkt hat sie es trotzdem immer, wenn einige Süßigkeiten fehlten. Aber böse war sie natürlich nicht.

Mein Opa war sehr krank. Er lernte meine Oma in der Kur für Tuberkulose Kranke kennen. Obwohl man wohl eher sagen müsste, dass Oma ihn kennenlernte. Sie erzählte, sie habe ihn vom Fenster ihres Krankenzimmers aus gesehen und gewusst , „Den will ich haben“. Hat funktioniert. Früher war das irgendwie einfacher.

Opa fuhr zur See und arbeitete später in einer Werft. Dort wurde er dann so schlimm krank, dass er sich nie wieder ganz davon erholte. Für mich war er natürlich immer alt, mit seinem grauen Bart, dem Hut und dem Bauch. Aber er muss damals noch recht jung gewesen sein, vielleicht in den 40ern.
Die Asbestose, die sich in seinen Lungen ausbreitete, schwächte ihn sehr. Die Gesundheit einfacher Arbeiter war kein solch hohes Gut.

Für einen großen, starken Mann wie er war, muss es schwer gewesen sein auf die Pflege seiner Frau und an die Wohnung gefesselt zu sein. Für mich als seine Enkelin war es dann aber schön, dass er soviel Zeit mit mir verbringen konnte. Er half beim Ausmalen und Lesen lernen, achtete darauf, dass ich die Grundlagen der Hausarbeit und Tischmanieren lernte und ging mit mir spazieren. Er knuddelte mich, ich durfte auf seinem Schoß sitzen und ich liebte ihn.

Wir hatten ein selbst gebautes Ferienhaus an einem Quellsee. Oma und Opa hatten in der Nähe Wohnwagen und Zelt. Dort war ich fast noch lieber, weil ich den Geruch im Trailer und das Geräusch des Regens darauf so sehr mochte. 

Opa saß irgendwann dann  für lange Strecken hauptsächlich im Rollstuhl, auf ebenen Straßen konnte ich ihn schieben und habe lange Ausflüge in den Ort, oder in den Sommerferien eben ganz um den Baggersee,  gemacht. 
Manchmal war das zu weit und ich musste schnell schieben, weil er nötig auf die Toilette musste. Aber diese Zeit mit ihm allein zu verbringen, das war für mich damals - ich muss ungefähr 9 oder 10  gewesen sein - einfach das Größte.
Und trotz Rollstuhls und Asthmasprays war er in meinen Augen nie krank oder schwach oder gebrechlich.
Er war einer der wenigen starken Menschen und tragenden Säulen in meiner verrückten Familie.
Entweder liegt das daran, dass man als Kind die Erwachsenen so verklärt sieht oder aber, er war tatsächlich solch eine starke, große Persönlichkeit, dass sein Einfluss bis heute schillert.

In der Zeit der Trauer war ich Luft für meine Familie. Es hat keiner mit mir gesprochen, außer um dem eigenen Schmerz Luft zu machen. 
Das ist wohl verständlich. 
Man kann den Verlust seines Großvaters nicht vergleichen, mit dem Verlust seines Vaters oder der Liebe seines Lebens.
Und doch war ich in meinem zwölfjährigen Leben so traurig, wie noch nie und wusste nicht wohin mit mir.

Noch heute träume ich ab und an von ihm, ich weiß noch genau, wie er roch und wie seine Stimme klang.

Und immer noch kommen tolle Geschichten dazu, meine eigenen Erinnerungen werden durch die seiner Töchter und seiner Frau ergänzt.

Und manchmal kommt es dann eben dazu, dass es mich überwältigt und mir mein Opa selbst nach 14 Jahren noch unglaublich fehlt und mir dicke und heiße Krokodilstränen aus den Augen laufen, so wie heute.
Ganz für mich alleine.




Samstag, 2. Oktober 2010

Fellmütze und Hackenschuh

Yay, Klamütsch.


Sicherlich bin ich viel zu alt, um in halbgaren Posen mich selbst im Spiegel zu fotografieren. Aber wenn nicht im Blog, wo sonst und überhaupt ist mir das gerade schnurz. In meinem 'Tagebuch' darf ich egoman und albern sein:P.
Und mich wie ein Kind über ein paar neue Klamotten freuen:)






Freitag, 1. Oktober 2010

Nymphenmonologe

frei nach Teenietext von 2004.

Manchmal da sitzen wir. Sitzen einfach nur.
Auf dem Sofa. Auf einer Wiese. In der Badewanne.
Auf dem Klo.
Wir sitzen einfach nur da und gucken durch die Wand.
Es gibt dann Momente, in denen stehen wir auf, gehen weiter. Gehen aus dem Haus.
Laufen nackt die Straße entlang.
Im besten Falle bekleiden wir uns vorher.
So wäre es gut. Denken meist die anderen.
Das wäre die eine Möglichkeit.
Doch es gibt ein Aber.

Aber manchmal bleiben wir auch sitzen. Und werden gezwungen miteinander zu reden.
Manchmal ist es dann wie auf der Autobahn.
Viel. Schnell. Grau. Grell.

Dann brechen manchmal alle Dämme. Dann rinnt es durch unsere Finger an unseren Armen entlang.
Warm rinnt es am Hals herunter. Auf dem Weg erkaltet, vorbei am Herzen, das uns bis zum Zäpfchen klopft. Knallt. Raus will. Schreien und Weinen.
Ob es wohl mit will?

Läuft weiter über unseren bebenden Brustkorb, am Bauch vorbei. Bis es uns vollkommen umhüllt.
Einen kurzen Moment dann geht das Licht aus, wir drücken unsere Hände gegen unsere heißen Schläfen. Wir sind umhüllt von einem Meer aus Tönen, die unser Trommelfell durchbohren. Öffnen unsere Lippen, trauen uns aber nicht zu atmen. Wir schreien uns gegenseitig an.

         All that I want...
                                                      And into your heart…
                  Laugh can hurt…
                                                               My tummy is crying…

Irgendwann, nach dem Bruchteil einer Sekunde, nach 124 Jahren, öffnen wir unsere Augen.
Unser Herz rast, bohren unsere Zähne in unsere Zunge, wir beißen uns fest. 

Noch kurz, wir bleiben stehen, blicken in den Spiegel.
Kann man nicht richtig erkennen, was und wer da blickt.
Lächeln wie irre um kurz danach klares kaltes Wasser in unser Gesicht zu schmeißen.
Wir gehen. Ziehen uns vorher an.
Es hat niemand gemerkt. 
Und zack bumm, Grinsebacke.

„Bei euch alles okay?“