Freitag, 3. Dezember 2010

Bist du dein eigener Experte?

"Unter allein den jungen Leuten habe ich eigentlich nur mit Dir gesprochen, und wenn ich schon mit andern sprach, so war es nur nebenbei oder Deinetwegen oder durch Dich oder in Beziehung auf Dich. Du warst, neben vielem anderen, auch etwas wie ein Fenster für mich, durch das ich auf die Gassen sehen konnte. Allein konnte ich das nicht ..."
Kafka


Oftmals blicke ich voller Neid auf diejenigen unter uns, die standhaftesten Fundaments Herren ihrer Lage sind.
Da stehe ich vor Lehrer, Dozenten oder anderen Cracks des jeweiligen Gebiets und es bleibt mir der Mund offen stehen, angesichts des vollkommen lückenlos dargebotenem Wissen, das mir mein Gegenüber im Brustton der Überzeugung entgegen preschen kann.

Man sagt mir zwar, ich habe ein gutes Gedächtnis.
Ereignisse, Personen, Sachverhalte, die in irgendeiner Weise in der Vergangenheit einprägsam und wichtig waren; Bücher, Bilder, Filme, die bleibenden Eindruck hinterlassen haben, kann ich noch lange Zeit abrufen und von ihnen erzählen.
Aber eben nur, wenn sie in meinen Augen merkenswerte Qualität, Eindruckskraft besaßen.

Auch viele Dinge, die ich gelernt habe, sind mir eingebrannt, in Fleisch und Blut übergegangen.
Aber ein Fachgebiets-Crack? Lange muss ich überlegen, wenn ich einen Teilbereich nennen müsste, in welchem ich mich als „Experte“ bezeichnen sollte.
Letztendlich würde ich dann lieber davor passen.

So machen mich, zum Beispiel Historiker und ihr schier endloses rezitierbares Repertoire an Daten und Zusammenhängen, schlicht sprachlos.
Oder werdende, wie fertige Germanisten und andere Literaturwissenschaftler, die bereits das 5fache von dem gelesen haben, was ich in meinen Leben bisher geschafft habe zu lesen.
Oder Kirchler, die ad hoc zu jeder passenden Situation aus der Bibel zitieren können.
Oder Musikcracks, die jede Band, jede Epoche, jede Stilrichtung, jeden Künstler nennen und miteinander vergleichen können.
Oder oder oder.

Ich bin in diesen Situationen voller Neid. Wenn mir jemand gegenüber steht, der so vollkommen sicher und wissend ist. In dem was er tut. Sagt. Denkt. Weiß. Und ich bin beeindruckt, fast ehrfürchtig.

Von vielen Dingen ein bisschen wissen, von einer Menge ein Stückchen können – das tue ich vielleicht. Und das mag manchmal besser sein, als von dem Einen viel und von dem Rest nichts beherrschen zu können. Oder gar von gar nichts etwas. Das ist klar.
So richtig erstrebenswert finde ich das aber irgendwie nicht.
Damit ist das ein klares Lebensziel für mich.
Irgendwann mal mein eigener Experte zu sein.
Woah.

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